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Andrea Schroeder – Where The Wild Oceans End

Wer sich den Namen Andrea Schroeder bisher nicht gemerkt hat, der wird hiermit dazu verpflichtet. Denn – Achtung: Deutschland hat einen neuen Star! Kein Casting-Sternchen, eher schon einen Underground-Star, denn die Charts wird sie mit ihren samt-dunklen Liedern kaum stürmen, wobei sie es mehr als verdient hätte. Denn wer eine derart gekonnte, geradezu phänomenale Version von David Bowies „Helden“ zuwege bringt, der sollte am weltweiten Firmament leuchten und es gibt durchaus Menschen, die das Funkeln und Strahlen des Sterns wahrnehmen und spätestens mit dem zweiten Album „Where The Wild Oceans End“ sollten es mehr und mehr werden.

Andrea Schroeder lebt in Berlin, besingt die „Ghosts Of Berlin“ und wechselt bei diesem Song kurz in ihre Muttersprache, um „die Geister von Berlin“ zu rufen. Dabei ruft sie jene aus dem Berlin der 20er und 30er Jahre wie Marlene Dietrich oder Zarah Leander ebenso wach wie die der 70er, als David Bowie und Iggy Pop in der damals geteilten Stadt ihr Unwesen trieben. Bowie nahm seinerzeit in den Hansa-Tonstudios das Album „Heroes“ auf und der Titelsong wurde neben der englischen Version auch in Französisch und Deutsch eingespielt. Jene deutsche Version hat Andrea Schroeder als Single und nun auch auf ihrem zweiten Album veröffentlicht. Sie interpretiert den Titel mit Feingefühl und Eleganz, zieht dazu ihr Harmonium auf wie einen weitschweifigen Fächer, vereint Poesie und Dramatik, in gewisser Weise Nicos Interpretation nicht unähnlich, Schroeder jedoch hat im Gegensatz zu Nico  jenes samt-warme Timbre, das einen förmlich in die Knie zwingt.

Präsent auf „Where The Wild Oceans End“ wird auch das Berlin der 80er mit Nick Cave & The Bad Seeds sowie Crime & The City Solution. Dies offenbart bereits der Eröffnungstrack „Dead Man’s Eyes“ sowie der Titelsong und „Walk Into the Silence“, die jene australischen Geister in die Gegenwart transformieren. Dabei nehmen die Begleitmusiker ganz wesentliche Rollen ein. Schlagzeuger Chris Hughes (Once Upon A Time, Hugo Race) setzt exakte Rhythmuspunkte oder lässt die Besen-Sticks über die Felle gleiten. Catherine Graindorge ist mit ihrem Violinen-Spiel auf den Spuren von Warren Ellis (Dirty Three, Nick Cave & The Bad Seeds, Grinderman), entlockt ihrem Instrument poetische bis kratzbürstige Weisen, die das Klangbild wiederholt besänftigen oder aufwühlender Natur sind.

Dave Allen am Bass grundiert, malt förmlich die Stimme der Chanteuse noir mit aus. Und was macht der Däne Jesper Lehmkuhl, der seine eigene Band Farmen nennt? Er tritt als Co-Komponist in Erscheinung und klangmalert mit den Gitarren. Oder setzt damit Töne in den Raum sowie Künstler Bilder oder Skulpturen in Galerien ausstellen. Lehmkuhl weiß um die hohe Kunst der Reduktion! Chris Eckman (The Walkabouts, Dirtmusic u.a.) hat als Produzent nicht nur ein fantastisch räumliches und klares Klangbild erschaffen sondern hin und wieder exquisite Akzente mit den Tasteninstrumenten gezaubert.

Auf „The Spider“ und „The Rattlesnake“ (eine Charles Plymell Gedichtvertonung) scheint der Geist von Patti Smith anwesend, weniger deren Stimmfärbung, vielmehr ist es der wilde Gestus und der besondere Spirit, den Schroeder hier freilegt. „Until The End“ „Fireland“ und „Summer Came To Say Goodbye“ klingen nach der folkigen Seite von Velvet Underground, die mit einem beinahe französischen Charme des Pop-Chansons einhergeht. Dabei ist es wiederholt Schroeders Stimme, die einen einfängt, sich an die Seele schmiegt oder aufwühlt. Ein Timbre wie ein samtdunkles Bett, das zum Reinlegen einlädt oder einen förmlich umarmt.

Bei allen Assoziationen, die „Where The Wild Oceans End“ hervorrufen, tritt mehr und mehr die Eigenständigkeit dieser Nachtlieder hervor. Andrea Schroeder ist jenes „Blackbird“ des Debütalbums und bereits mit dem Zweitwerk zum Ende der Ozeane und sich selbst vorgedrungen: „I close my eyes / and I smell the sea / and I can feel / the ocean in me,“ singt die Schroeder im Titelsong. Schließen sie die Augen und sie werden auf den Schwingen ihrer Stimme durch jene so wilden wie poetischen Klangozeane geleitet. Ach Deutschland, sei nur ein einziges Mal gerecht und lass über diese Künstlerin Gold und schwarze Rosen regnen!

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