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Temples – Live im Lido, Berlin

An einer Band kam man dieses Jahr beim besten Willen nicht vorbei. Temples aus England verpassten dem Wort “Retro” mit ihrem Album “Sun Structures” und dem darauf zu hörenden 60s Psychedelic-Pop eine Ohrfeige und transportierten den Trademark-Sound ihrer musikalischen Vorbilder mit viel kreativer Eigenenergie, mal rumpelnden, mal harmonischen Melodien und dem nötigen Weitblick über das musikalische Jetzt ins Jahr 2014. Die daraus entstandenen Songs oder deren Neu-Versionen auf dem kürzlich veröffentlichten “Sun Restructured” müssen sich nun wirklich nicht hinter längst verstaubten Errungenschaften aus vergangenen Jahrzehnten verstecken, sondern offenbaren die Fähigkeit der Band mit ihrem Songwriting an ein Handwerk anzuknüpfen, das für viele ihrer Kollegen mittlerweile zum bloßen Schein verkommen ist.

Zum dritten Mal in diesem Jahr rollte der Temples-Tourbus nun schon nach Berlin, um das Live-Verlangen der Hauptstädtler zu stillen, das auch dieses Mal erneut für ein volles Haus im Lido sorgte, in dem die Band schon im Sommer einen Abend lang alle Anwesenden in ihren Bann zog. Kurz vor ihrer UK-Tour und den letzten vorweihnachtlichen Shows kehrten sie nun zurück an diesen Ort, der der einzige auf dieser erneuten Reise nach Deutschland bleiben sollte. Kein Wunder also, dass es nicht lange dauerte bis der Zuschauerraum unter der blinkenden Diskokugel mehr als gut gefüllt auf die Ankunft der Band wartete.

Erst einmal hatten jedoch die englischen Kollegen von Big Skies die Ehre das Publikum auf alles Folgende an diesem Abend einzustimmen. Große Reaktionen konnten sie jedoch nicht bei den nur wenig interessiert wirkenden Zuschauern hervorrufen, die es vorzogen beinahe regungslos auf den Hauptact zu warten und vermutlich im Inneren eine Art Countdown in Gang setzten, um die Zeit zu überbrücken bis Temples endlich auf der Bildfläche erscheinen würden. Als es dann soweit war, wachte das Publikum merklich auf und wurde zum Titeltrack des Albums “Sun Structures” aus der Lethargie gerissen, die binnen weniger Augenblicke spurlos verschwunden war.

Wer die Augen noch nicht wie in Trance verfallen geschlossen hielt und die Haare im Takt zur Musik schüttelte, der starrte wie gebannt auf die im Hintergrund angebrachte Leinwand. Auf dieser wurde nämlich live eine farbenfrohe Untermalung passend zur Musik geboten, die von drei sich überschneidenden Projektoren erzeugt wurde, auf deren Flächen jeweils drei Herren mit bunten Flüssigkeiten experimentierten, die sich schließlich alle übereinander legten und somit ein nicht enden wollendes Spiel an kräftig leuchtenden Bewegungen hervorriefen, das sich in einem mehrfarbigen Durcheinander aus den verschiedensten Farbkleksen ergoss. Wer nicht schon vom anhaltenden Marijuana-Geruch eingenommen war, der ab dem ersten Song durch das Lido wehte, dem konnte auch beim allzu genauen Blick auf die Leinwand durchaus schwindelig werden.

Konzentrierte man sich jedoch statt der visuellen eher auf die musikalischen Reize,  blieb auch auf dieser Ebene der Sinneswahrnehmung kein Gefühl des Rausches aus. Sorgten Temples doch unentwegt mit ihren flimmernden Gitarren, dem teils laut schnurrenden und bockigen Bass sowie den prägnanten Drums für einen psychedelischen Sog an Songs, der sich an diesem Abend über dreizehn Songs erstreckte. Neben Songs des Debüts wie “The Golden Throne”, den Singles “Colours To Life” und “Shelter Song” oder auch “Move With The Season” und “Keep In The Dark” enthielt die Band ihren Fans ebenfalls nicht die weniger bekannten Stücke wie die B-Seiten “Prisms” und “Ankh” vor.

So schwappten in regelmäßigen Abständen fuzzy Vibes im hohen Maße über den Bühnenrand, an den sich auch Sänger James Bagshaw gerne einmal bewegte, um sein Gitarrenspiel ganz nahe an der ersten Reihe mit großer Fingerfertigkeit zu demonstrieren. Sein wuscheliger Lockenkopf wurde derweil oftmals so sehr von den Scheinwerfern angestrahlt, dass man nur noch dessen Silhouette wahrnahm. Während andere Bands zwischen den Songs gerne einmal ausgiebigen Small-Talk betreiben, steht bei Temples eindeutig die musikalische Botschaft im Vordergrund.

Nur ein paar kurze Ansagen durchbrachen das sonst in sich stimmige Set, das besonders beim Song “Sand Dance” von einer unbändigen Kraft geschüttelt förmlich in einem spielerischen Rausch explodierte und einen von vielen Höhepunkten der Show darstellte. Irgendwie wird man bei dieser noch jungen Band das Gefühl nicht los, dass diese uns in den nächsten Jahren noch mit sehr vielen Überraschungen über den Weg laufen wird. “Sun Structures” war dabei allenfalls der Appetizer des Ganzen, der uns sowohl auf Platte als auch live immer wieder Appetit auf noch mehr vom reichhaltigen Temples-Menü macht.

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