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Mix aus Kaffee mit Zucker und psychedelischem Zeug – Panda Bear im Interview

Noah Lennox/ alias Panda Bear/ alias Animal Collective-Crewmitglied/ alias knorker Gesprächspartner mit Stimme und Intellekt, karrt sein fünftes Solo-Album auf den Markt. Wie schon dessen Vorgänger, hat auch „Panda Bear Meets The Grim Reaper“ einen wunderbaren Cocktail parat, welcher den bärenstarken, liebevoll zusammengesetzten und detailreichen, vollmundigen Sound vereint. Die Tracks zeigen sich gediegen und kunterbunt, scheinbar leer und randvoll, irgendwie klar und doch widersprüchlich. MusikBlog zerrte den Pandabären-Liebhaber vor die Linse und sprach mit ihm über zukünftige Veränderungen, Drogenassoziationen und Baustellensongs.

MusikBlog: „Panda Bear Meets The Grim Reaper“ macht einmal mehr deutlich, wofür Du stehst: den gediegenen Einklang von elektronischer Musik mit poppigem Einschlag, ausgereiften Oldschool-Beats und Deinem entrückten Gesang. Kannst Du Dir vorstellen, dass das auch in den nächsten Jahren weiterhin Dein Pfad sein wird?

Noah: Ich hoffe nicht! Ich schätze, ich werde in etwa 10 Jahren etwas anderes machen. Natürlich versuche ich bereits jedes Mal, an den Stellschrauben zu drehen: neue Dinge zu entdecken, beim Schreiben zu variieren, neues Equipment zu benutzen, verschiedene Prozesse des Entstehens eines Songs auszuprobieren und diese in mannigfaltigen Variationen zum Klingen zu bringen. Ich hoffe, all das wird mich in 10 Jahren zu einem dramatisch neuen Hörerlebnis führen. Aber natürlich werde ich immer bestimmten Soundthematiken treu bleiben – und dabei mit der Musik immer neue Schauplätze entdecken.

MusikBlog: Wie sollte das dramatische neue Hörerlebnis denn aussehen?

Noah: Ich denke, das werde ich erst sehen, wenn es so weit ist. Vor allem aber das Ändern der Instrumentation und Ausrüstung ist natürlich etwas, das da herein spielen könnte. Auch das Kooperieren mit anderen Künstlern lässt Ideen immer schön frisch bleiben. Dafür muss man natürlich stets flexibel und offen für Neues sein.

MusikBlog: Was mir an Deinem neuen Album besonders auffiel: der Flow. Ein Track geht gediegen in den nächsten über, das ganze Album besteht in den Songs und außerhalb derer aus einem Guss, welcher Dich in eine Trance bettet. Dennoch braucht es ordentliche Aufmerksamkeit, um die Detailliebe der einzelnen Tracks zu entdecken. Ist das Dein Anspruch an Dich selbst – gemütliche Detailverliebtheit?

Noah: Das trifft den Nagel ziemlich genau auf den Kopf, ja. Das war einer meiner Ansprüche hier: wirklich unmittelbare und vertraute Elemente sollen Dich in die Tracks einbinden. Aber auch der etwas trickreichere Teil dessen soll Dich immer schön am Ball bleiben und die Tracks nicht zum Durchlauf werden lassen.

MusikBlog: Was sind denn noch andere Ansprüche gewesen?

Noah: Vor allem natürlich, dass es mich selbst begeistert – sowohl der Prozess, als auch das Ergebnis. Die Begeisterung an der eigenen Sache ist also sowohl Start- als auch Endpunkt meiner Arbeit. Ich denke, dass es nicht gesund ist, zu viel über bestimmte Dinge beim Produzieren nachzudenken, denn der kritische Impuls kann schnell den kreativen überdecken. Ich persönlich bin ein Tagträumer und habe meine Visionen von Musikthemen. Aber sobald ich anfange, diese umzuwandeln, versuche ich, den ganzen mentalen Prozess völlig herauszulassen.

MusikBlog: Dabei hätte man gerade in Hinblick auf den Flow davon ausgehen können, dass Du an einem Song sitzt, wie an einer Baustelle: Jegliche kleine Unebenheiten wurden zum Perfektionismus ausgemerzt.

Noah: Ich hoffe, dass es nicht so klingt! Aber definitiv war das so, als wir das Album kreiert haben. Es gibt eine Menge unterschiedlicher Elemente, die in Einklang gebracht werden wollen. Rhythmus, Drum-Breaks, der Gesang und weitere Dinge, die durcheinander schwurbeln. Das alles zu einem Bild und Klang zusammenzusetzen, das braucht bei einigen Songs länger als bei anderen. Beispielsweise fingen wir mit einem Song im Oktober vorletzten Jahres an, haben ihn aber erst im September letzten Jahres beendet. Ich hoffe jedoch, wie gesagt, dass es nicht danach klingt, sondern der Song sich vielmehr als organisch wahrnehmen lässt.

MusikBlog: Ein weiteres Detail in Deinen Arbeiten: kaum wahrnehmbare Klassik-Samples. Du verwendest Samples aus Debussy- und Tschaikowski-Stücken und flechtest sie fein säuberlich in beispielsweise „Lonely Wanderer“ ein. Ist es Dir wichtig, auf gewisse kulturelle Wurzeln zu verweisen?

Noah: Das ist natürlich das Großartige am Sampling: Du kannst den Sound manipulieren. Sound kann natürlich alles sein. Und diese Flexibilität fasziniert mich. Ich mag es, dass man diese vertrauten, auch klassischen Klänge nutzen kann. Doch ich hoffe, dass es sich immer noch anhört, als sei es meins. Das ist die Schwierigkeit des Samplings: ein allgemein zugängliches Element zu nutzen und zu etwas zu machen, das sich anfühlt, als hätte niemand anderes es so kreieren können. Es soll den Charakter bekommen, als würde es Dir gehören. Ich hoffe, dass ich das geschafft habe.

MusikBlog: Definitiv. Auch Dein „Boys Latin“-Video ist weiterhin ein schickes Stück Kreativität geworden und handelt von phantasmagorischen Erlebnissen. Wenn Dein Album eine Droge wäre – welche wäre das?

Noah: Ich hoffe, es geht in die Richtung des Mixes aus Kaffee mit Zucker und psychedelischem Zeug – aber nicht so synthetisches Gedöns, eher so eine Art Pilze. Die Pilze könnten in etwa den Durst nach einem tieferen Verständnis, bzw. danach, Dinge auf einer anderen Ebene wahrzunehmen, darstellen. Der Kaffee stünde für die Energie der Musik. Poppige Vocals etwa werden durch den Zucker repräsentiert.

MusikBlog: Bezüglich des tieferen Verständnisses: Hast Du den Sensenmann mit ins Boot genommen, um fundamentalen philosophischen Fragen auf den Grund zu gehen?

Noah: Ganz am Anfang stand das Gefühl, welches mir der Titel gab. Und daraus haben sich mehrere Perspektiven für mich ergeben, ihn zu interpretieren, gerade auch mittels der Musik. Eine Perspektive war es zum Beispiel, den Titel als Referenz zu einer Handvoll jamaikanischen Dub-Records aus den 70ern zu sehen, als sich ebenfalls zwei Kreative für eine Kollaboration zusammengetan haben. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass eine Vielzahl der Songs auch eine dunkle Seite hat und einige fundamentale Aspekte, über die wir normalerweise nicht nachdenken. Dennoch: Die Musik fühlte sich eben lebendig, frisch und einfach an. Ich mochte es also, dass ich den Sensenmann aufgreifen und mit Panda Bear in einen eher humorvollen Hintergrund betten konnte, so dass sich das dunklere Material etwas leichter händeln lässt. Als würde man Zucker auf einen Medizin-Löffel geben. Auch, wenn es kein Konzeptalbum ist, so hatte ich doch immer das Gefühl, dass die Songs sich um diese Transformation herum drehen.

MusikBlog: Wenn man schon von Kollaborationen redet: Was macht es für Dich einfacher, als Soloartist neben Deiner Hauptband Animal Collective aufzutreten?

Noah: Nun, es gibt natürlich so einige Songgeschichten, die nicht ganz in das Bandgefüge passen würden, weil sie meinem Charakter viel zu sehr entspringen und entsprechen und nur meine Perspektive aufweisen und sich nicht anpassen lassen. Viele Songs klingen auch eher nicht wie die einer Gruppe. Vielleicht würde im Bandkontext auch mein Nutzen der Drum-Breaks nicht ganz so funktionieren, aber das muss ich noch genauer untersuchen. Doch der Sinn einer Band ist es, etwas zu schaffen, was jedermanns Person entspricht, was hier zum Beispiel so nicht möglich gewesen wäre. Doch das ist es wiederum, was eine Zusammenarbeit aufregend macht: Du kommst zu Ergebnissen, welche Du mit Deinem Horizont allein so nicht geschaffen hättest.

MusikBlog: Schlussendlich, worauf hast Du 2015 ein Auge?

Noah: Eines unter vielen Vorfreuden-Alben für 2015 ist „Teaspoon To The Ocean“ von Jib Kidder.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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