MusikBlog - Entdecke neue Musik

Ich muss den Song fühlen können – Andreas Moe im Interview

Singer/Songwriter, die nur mit Akustikgitarre und Stimme bewehrt durch die Lande ziehen, haben inzwischen Hochkonjunktur wie schon seit den seligen Siebziger Jahren nicht mehr. Sprich, die Konkurrenz ist groß. Der Schwede Andreas Moe setzt deshalb bei der Organisation seiner Karriere behutsam einen Schritt nach dem anderen. Im Lauf der letzten vier Jahre hat er zwar erst drei EP’s rausgebracht, aber dafür steht seine Karriere im Gegensatz zu einigen anderen Mitbewerbern gleich auf mehreren Standbeinen. Bekannt wurde er zum ersten Mal, als seine Stimme auf Produktionen von Dance-Poppern wie Avicii und John de Sohn in den Charts auftauchte. Darüber hinaus ist der 26-jährige aber auch ein recht erfolgreicher Songwriter für andere Musiker und in seiner Geburtsstadt Stockholm ein ziemlich gefragter Studio-Gitarrist. Nachdem er mit fünfzehn als talentierter Gitarren-Jungspund mit Sologitarrenheroen wie Stevie Ray Vaughn und Yngwie Malmsteen verglichen wurde, fing er später an, seine eigenen Songs zu schreiben. Und die klingen nun mal so wie sie für ihn und eine stetig wachsende Zahl von Hörern klingen sollen: Folkiger Pop mit melancholischer Note. Wir haben ihn beim Abschlusskonzert seiner ersten Europatour als Solo-Headliner getroffen und sprachen mit ihm über das kommende Album, den Appeal seiner Musik bei Damen, Casting-Shows und andere schöne Sachen.

MusikBlog: Du hast musikalisch schon eine bewegte Vergangenheit. Wie war es jetzt, zum ersten Mal unter Deinem eigenen Namen außerhalb Schwedens auf Tour zu sein? Was ich so gelesen habe, waren die Clubs, in denen Du gespielt hast, immer ziemlich voll.

Andreas Moe: Ich war schon mit vielen Bands als Support unterwegs und weiß natürlich, wie es ist, auf einer Bühne zu stehen. Aber ich habe nicht erwartet, dass meine eigene Tour so gut laufen wird. Natürlich hatte ich meine Vorstellungen und Gedanken darüber, wie es werden könnte. Aber die Realität war dann viel besser als ich es erwartet habe. Super!

MusikBlog: Im Herbst wird wohl Dein erstes Album erscheinen. Kannst Du schon etwas darüber erzählen?

Andreas Moe: Die Songs sind schon fertig. Im Moment bin ich noch bei den letzten Feinheiten, wie dem Tracklisting, also der Reihenfolge der Songs und so etwas. Aber es ist schon ein sehr akustisches Album. Es hat etwas von meinen Live-Shows und klingt sehr unverfälscht und natürlich. Ich wollte es nicht überproduzieren. Das Album soll eher einfach und für den Zuhörer leicht verständlich sein. Aber ich wollte dabei auch die Balance zwischen einfach und nicht zu schwierig behalten. Es gibt also auch noch genug Momente für richtige Musiknerds.

MusikBlog: Aber ich denke mal, dass es jetzt kein reines Akustikalbum sein wird?

Andreas Moe: Wir haben die Stücke um die Akustikgitarre gebaut. Dazu kamen dann Schlagzeug, Bass und andere Instrumente. Ich habe dabei mit einer Menge großartiger Musiker zusammengearbeitet. Streicher, Trompeter und Posaunisten, die alle ihr Bestes gegeben haben. Alles in Allem hat das Album schon eine große dynamische Breite. Manche Songs haben dabei eher ein Bandfeeling. Und bei manchen Stücken sind es nur Gitarre und Streicher.

MusikBlog: Wenn man sich Deine vorangegangenen drei EP’s anhört, dann bereiten Dir im Gegensatz zu manch anderen Musikern die Begriffe „poppig“ und „radiofreundlich“ anscheinend keine schlaflosen Nächte.

Andreas Moe: Für mich ist es wichtig, Musik zu machen, die Leute verstehen können. Auf der anderen Seite will ich aber auch nicht zu kommerziell und zu simpel sein. Aber ich schreibe nie und denke dann „OK, das ist ein Hit-Song für’s Radio!“. Ich schreibe einen Song und hoffe, dass andere Menschen beim Hören etwas empfinden und er somit bei ihnen etwas bewirkt. Mir geht es mehr um emotionale Tiefe als darum, zu denken, wie ich den Song im Radio unterbekommen kann.

MusikBlog: Andererseits haben viele Deiner Songs auch immer etwas Melancholisches. In Deinen Texten geht es nicht selten um schiefgelaufene Liebesbeziehungen und ähnliche Gefühlskatastrophen. Ist das eher Fiktion oder hast Du selber auch so etwas wie eine melancholische Ader?

Andreas Moe: Absolut! Wenn ich schreibe, dann geht’s mir entweder ziemlich mies oder extrem gut. Wenn ich mich deprimiert fühle, weil irgendetwas in meinem Leben danebengegangen ist, wie zum Beispiel eine Beziehung, dann läuft das Schreiben bei mir am besten. Die Melodien fliegen mir dann nur so zu. Aber wenn es mir zu gut geht, dann kommen die Songs seltsamerweise nicht so leicht aus der Hand. Auch die Musik, die ich mir selber gerne anhöre und die mich beeinflusst, sind eher melancholische, düstere Songs. Klar, ich habe auch optimistische Texte. Aber bei mir geht es nie um sonnigen Sonnenschein. Ich singe über Trennungen und darüber, wie ich mich gerade fühle. Dabei ist es ist für mich wichtig, dass ich hundertprozentig hinter jedem Song, den ich auf der Bühne spiele, stehen kann und stolz auf ihn bin. Ich könnte nicht über irgendetwas singen. Ich muss den Song fühlen können.

MusikBlog: Mit gefühlvollen Songs, guter Stimme und leichter Melancholie trifft man natürlich nicht selten bei Frauen den Hörnerv. Wie sieht es bei Dir aus? Hast Du schon mal darüber nachgedacht, ob Du mit Deiner Musik mehr Männer oder Frauen erreichst?

Andreas Moe: Hm, gute Frage. Ich will natürlich so viele Menschen wie möglich erreichen. Egal ob Frauen oder Männer. Aber wenn ich jetzt von dem Publikum auf der Tour ausgehe, dann waren es schon mehr Frauen. Sie waren jedenfalls bei den Konzerten eindeutig in der Mehrheit. Aber es ist noch etwas zu früh in meiner Solo-Karriere, um das eindeutig beurteilen zu können. Wir werden sehen, wie es sich weiterentwickelt. Ich bin definitiv kein gemachtes Produkt eines Labels dem die Leute von der Plattenfirma sagen „Du solltest diesen Look haben“. Oder: „Zieh Dich so an. Das mögen die Mädchen“. Ich schreibe einfach nur Songs, die ich veröffentliche und dann live spiele. Und entweder kommen die Leute oder sie kommen nicht.

MusikBlog: Mit „Fade Into Darkness“ von Avicii bist Du vor fast vier Jahren als Sänger zum ersten Mal in den Charts aufgetaucht. Danach hast Du auch noch anderen Dance-Pop-Producern Deine Stimme geliehen. Deine eigene Musik klingt ja doch schon ein wenig anders. Wie kam es dazu? Magst Du Dance-Pop?

Andreas Moe: Ich mache Musik schon, seitdem ich ein Kind war. Mein ganzes Leben wollte ich schon immer ein Singer/Songwriter sein. Aber heute ist die Konkurrenz extrem groß. Jeder macht Musik. Und deshalb muss man eben einiges tun, um weiterzukommen. Du musst der Welt zeigen, dass es Dich gibt. Ich hatte die Möglichkeit, diese Sachen zu machen. Und durch eine Zusammenarbeit mit einem bekannten Produzenten wie Avicii einen guten Push für meine eigene Laufbahn zu bekommen, konnte ich wirklich nicht ablehnen. Und es hat wirklich geholfen. Viele Leute machen heute ein Album, auf dem sie nicht unbedingt das machen, was sie wirklich wollen. Sie hoffen dann darauf, es auf dem zweiten Album tun zu können. Manchmal ist es wichtig, auch Sachen zu machen, die nicht hundertprozentig Dein Ding sind. Aber das funktioniert natürlich auch nur, wenn man es mag und dahinter stehen kann. Wenn es Dich zu dem führt, was Du eigentlich erreichen willst, dann mach es! So war’s bei mir. Und deshalb habe ich das gemacht.

MusikBlog: Du hast auch schon recht erfolgreich für andere Musiker Songs geschrieben. Gibt es da einen Unterschied zu den Songs, die man für sich selber schreibt? Ist das so eine Art Rollenspiel, bei dem man sich in eine andere Person reindenken muss?

Andreas Moe: Das ist eine gute Beschreibung. Songs für andere zu schreiben, ist definitiv eine andere Sache, als wenn man sie für sich selbst schreibt. Man kann das nicht vergleichen. Natürlich stecke ich auch genug Herzblut in diese Songs. Aber es ist schon etwas anderes. Man muss dabei keine persönliche Beziehung zu dem Song haben. Du musst ihn nicht in derselben Art empfinden können, wie wenn Du ihn selber singen würdest. Ich bin ein professioneller Songwriter. Ich kann mich also hinsetzen und einen Song schreiben. Und das ist es auch schon. Ich muss mich nicht in diese Songs verlieben können. Es ist wie ein Job.

MusikBlog: Als Songwriter hast Du auch einen Nummer 1-Hit für das holländische Duo Nick & Simon geschrieben. Die beiden tauchen auch in Casting-Shows gerne mal als Juroren auf. War das jemals für Dich eine Option, selber an einer dieser Shows teilzunehmen?

Andreas Moe: Nein. Ich halte es für gefährlich, etwas zu machen, dass Dich quasi über Nacht berühmt werden lässt. Du hast dann einfach kein Fundament, auf dem Du stehen kannst. Keiner weiß eigentlich, wer Du wirklich bist. Die Leute werden vielleicht zu Deiner ersten Show kommen. Dann noch zur zweiten. Und dann… Man muss sich selbst ein Fundament, einen Unterbau und ein Profil geben, dass Dich tragen kann. Du musst Aufmerksamkeit schaffen. Aber klar, für manche Leute funktionieren diese Castingshows. Aber für andere ist dieser Übernachtruhm sehr gefährlich. Aber ich verurteile niemanden, der daran teilnimmt. Es ist ihre freie Wahl. Klar, es ist eine gute Plattform, das kann man nicht leugnen. Du bist groß im Fernsehen. Singst vielleicht einen eigenen Song und kannst Deine Stimme einer Menge Leute zeigen. Es ist schon zwiespältig. Du hast dann auf ewig  diesen Stempel „Oh, das ist doch der aus…“. Das ist auch nicht sonderlich gut.

MusikBlog: Du bist für Deine Karriere auf alle Fälle gut aufgestellt. Neben Deinen eigenen Songs und dem Songwriting bist Du in Stockholm auch noch ein gefragter Studiogitarrist.

Andreas Moe: Ja, da spiele ich allerdings E-Gitarre. Durch die Tour und das Album mache ich das im Moment allerdings weniger. Ganz am Anfang ging es mir noch nicht um das Songschreiben. Ich wollte einfach nur Gitarre spielen. Ich wollte ein Solo-Gitarrist sein und habe fünf, sechs Stunden am Tag geübt. Rockbands aus den Siebzigern wie Deep Purple oder Kiss haben mich damals ziemlich beeindruckt. Ich wollte der neue Yngwie Malmsteen werden. Damals habe ich nichts anderes gemacht, als Gitarre zu spielen. Und das führte irgendwann zu den Studiojobs. Letztendlich hat mich das auch mit den richtigen Leuten zusammengebracht, denn darüber habe ich einige Producer kennengelernt, denen ich meine eigenen Songs vorspielen konnte. Ich habe auch viel in Bands gespielt. Auch härtere Sachen.

MusikBlog: Um als Solo-Künstler erfolgreich zu sein, muss man natürlich einiges von sich und seinem Leben in die Karriere stecken. Wie erlebst Du das?

Andreas Moe: Es ist harte Arbeit. Aber ich beschwere mich nicht. Ich mache etwas, das ich wirklich liebe und das ist schon klasse. Aber man muss schon einiges an Arbeit investieren, um das zu erreichen, was man erreichen möchte. Ich bin jetzt immerhin an dem Punkt, an dem zu meinen Live-Shows tatsächlich auch Leute kommen. Ich weiß jetzt, dass ich es durchziehen kann. Ich habe das Selbstvertrauen und es macht mir Spaß. Solange es geht, werde ich das weiter machen. Aber klar, manchmal ist es schon anstrengend. Heute haben wir auf der Fahrt von Zürich nach Köln zehn Stunden im Auto gesessen und natürlich bin ich müde. Aber ich mache meinen Job und ich bin glücklich dabei.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke